Der Landesbeauftragte und die Behördenmitarbeiter bieten Auskünfte, individuelle Beratungen und Gespräche, Informationsmaterial, öffentliche Stellungnahmen und Veranstaltungen im folgenden Spektrum an:
- politische und rechtliche Aufarbeitung der MfS- und DDR-Altlasten
- Rehabilitierung und Wiedergutmachung für politisch Verfolgte zwischen 1945 und 1990 und die Thüringer Beratungsinitiative
- Beratung öffentlicher Institutionen, Behörden und Körperschaften
- Angebote der politischen Bildung: Veranstaltungen, Ausstellungen, Publikationen, Individualauskünfte, Literaturempfehlungen u.v.m.
- alters-, unterrichts- und projektgerechte Beratung, regionalgeschichtliche Arbeitsmaterialien, Vorträge und Projekttage für Schüler
- Forschungs- und Archivberatung für Studenten und Forschende
- Regionalgeschichtliche MfS- und DDR-Forschung und Zusammenarbeit mit Partnern der Aufarbeitung über die verschiedenen Themenfelder der SBZ- und DDR-Geschichte, Informationen zur Thüringer Zeitgeschichte zwischen 1945 und 1990
Grundlage der Arbeit des Landesbeauftragten ist das Gesetz über den Beauftragten des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur - Thüringer Aufarbeitungsbeauftragtengesetz - ThürAufarbBG - vom 3. Juli 2013. Hierin hat der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Thüringer Aufarbeitungsbeauftragtengesetz
§ 1
Zweck des Gesetzes
(1) Dieses Gesetz dient der Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes einschließlich seiner Vorgänger- und Nachfolgeorganisationen in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR auf dem Gebiet des heutigen Freistaats Thüringen und deren Folgen sowie der Aufklärung über die genannten Aufgabenbereiche. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Unterstützung und Beratung von Menschen, die von der Verfolgung in dieser Zeit unmittelbar oder mittelbar betroffen sind sowie der politisch-historischen Bildung in diesem Zusammenhang.
(2) Das Gesetz regelt die Stellung des Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Landesbeauftragter). Es dient damit auch der Ausführung des § 38 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG) in der Fassung vom 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 162) in der jeweils geltenden Fassung.
§ 2
Recht auf Anrufung des Landesbeauftragten
Jede Person hat das Recht, sich in den Angelegenheiten dieses Gesetzes an den Landesbeauftragten zu wenden.
§ 3
Aufgaben des Landesbeauftragten
(1) Aufgabe des Landesbeauftragten ist die Beratung von Menschen, die von der Verfolgung zur Zeit der sowjetischen Besatzungszone sowie der DDR unmittelbar oder mittelbar betroffen sind, insbesondere über die Rechte nach dem Strafrechtlichen, Beruflichen und Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und jeweiligen Folgeansprüchen. Dazu gehört auch die Vermittlung psychosozialer Therapie und Betreuung.
(2) Der Landesbeauftragte nimmt für das Land die Aufgaben gemäß § 38 StUG wahr. Er unterstützt und berät den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Deutschen Demokratischen Republik (Bundesbeauftragter) bei der Erfüllung seiner Aufgaben gemäß § 37 StUG.
(3) Der Landesbeauftragte berät die öffentlichen Stellen des Landes. Er kann auf deren Antrag zu Überprüfungsverfahren beratend hinzugezogen werden. Im Rahmen dessen kann er Einsicht in die herangezogenen Unterlagen und Ergebnisse von Überprüfungen von Mitarbeitern und Bewerbern bei den zur Überprüfung berechtigten Stellen nehmen.
(4) Der Landesbeauftragte trägt dazu bei, die Öffentlichkeit über die Wirkungsweisen diktatorischer Herrschaftsformen, insbesondere der SED-Diktatur, aufzuklären. Strukturen, Instrumente, Wirkungsweisen und Methoden staatlicher Repression sowie des Staatssicherheitsdienstes einschließlich seiner Vorgänger- und Nachfolgeorganisationen in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR auf dem Gebiet des heutigen Freistaats Thüringen sollen in besonderer Weise Berücksichtigung finden.
(5) Der Landesbeauftragte unterstützt die Arbeit der Opferverbände, Haftgedenkstätten, Grenzlandmuseen und die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen des Landes, welche der Aufarbeitung der SED-Diktatur dienen und arbeitet mit dem "Thüringer Geschichtsverbund - Arbeitsgemeinschaft zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" vertrauensvoll zusammen. Die jeweiligen Aufgaben der einzelnen Stellen bleiben davon unberührt.
§ 4
Wahl und Ernennung
(1) Der Landesbeauftragte ist eine Einrichtung beim Landtag. Er hat seinen Sitz in Erfurt. Der Leiter der Behörde führt als Amtsbezeichnung die Bezeichnung seiner Behörde.
(2) Der Leiter der Behörde wird vom Landtag mit der Mehrheit seiner gesetzlichen Mitglieder auf Vorschlag der im Landtag vertretenen Fraktionen gewählt. Jede Fraktion kann nur einen Kandidaten vorschlagen. Die Abstimmung erfolgt ohne Aussprache in geheimer Wahl.
(3) Der Landesbeauftragte muss für die Werte der Demokratie, des Parlamentarismus und der Rechtsstaatlichkeit jederzeit einstehen und diese überzeugend vertreten. Er muss die nötige Fachkunde und Erfahrung zur Erfüllung der Aufgaben besitzen. Gewählt werden kann nur, wer weder für das Ministerium für Staatssicherheit noch für dessen Vorläufer- oder Nachfolgeorganisationen tätig war noch anderweitig gegen die Grundsätze von Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat. Eine herausragende Funktion in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, einer anderen Blockpartei, in Massenorganisationen, gesellschaftlichen Organisationen oder eine sonstige vor dem 7. Dezember 1989 erlangte herausgehobene Funktion im System der Deutschen Demokratischen Republik führt zum Ausschluss der Wählbarkeit.
(4) Der Landesbeauftragte leistet vor dem Landtag folgenden Eid: "Ich schwöre, mein Amt gerecht und unparteiisch zu führen, das Grundgesetz und die Verfassung des Freistaats Thüringen sowie die Gesetze zu achten, zu wahren und zu verteidigen." Der Eid kann mit einer religiösen Beteuerung geleistet werden. Die Ernennung erfolgt durch den Landtagspräsidenten.
§ 5
Beginn und Beendigung des Amtsverhältnisses
(1) Das Amtsverhältnis des Landesbeauftragten beginnt mit dem Wirksamwerden der Ernennung.
(2) Die Amtszeit des Landesbeauftragten beträgt fünf Jahre. Einmalige Wiederwahl ist zulässig.
(3) Das Amtsverhältnis des Landesbeauftragten endet mit
1. dem Ablauf der Amtszeit,
2. der Abwahl oder
3. der Entlassung.
(4) Eine Abwahl des Landesbeauftragten ist zulässig. Die Abwahl erfolgt durch eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags.
(5) Eine Entlassung des Landesbeauftragten kann nur auf eigenen Wunsch durch den Präsidenten des Landtags erfolgen oder wenn Gründe vorliegen, die bei einem Richter auf Lebenszeit die Entlassung aus dem Dienst rechtfertigen würden.
§ 6
Rechtsstellung
(1) Der Landesbeauftragte steht nach Maßgabe dieses Gesetzes zum Land in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Er ist in Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Er untersteht der Rechtsund Dienstaufsicht des Präsidenten des Landtags, sofern seine Unabhängigkeit dadurch nicht beeinträchtigt wird.
(2) Entgeltliche Nebentätigkeiten sind genehmigungspflichtig.
(3) Der Landesbeauftragte ist, auch nach Beendigung seines Amtsverhältnisses, verpflichtet, über die ihm amtlich bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Der Landesbeauftragte darf, auch wenn er nicht mehr im Amt ist, über solche Angelegenheiten ohne Genehmigung des Präsidenten des Landtags weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Unberührt bleibt die gesetzlich begründete Pflicht, Straftaten anzuzeigen und bei Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für deren Erhaltung einzutreten.
§ 7
Amtsbezüge und Versorgung
(1) Der Landesbeauftragte erhält während seiner Amtszeit Amtsbezüge in der Höhe entsprechend eines Landesbeamten der Besoldungsgruppe A 16, Erfahrungsstufe 10.
(2) Darüber hinausgehende Versorgungsleistungen richten sich entsprechend nach den für Landesbeamte auf Zeit geltenden Vorschriften.
§ 8
Ausstattung und Organisation der Dienststelle
(1) Der Landesbeauftragte erhält zur Erfüllung seiner Aufgaben eine angemessene Personal- und Sachausstattung. Die Mittel sind im Einzelplan des Landtags in einem gesonderten Kapitel auszuweisen. Die Mitarbeiter werden auf Vorschlag des Landesbeauftragten durch den Präsidenten des Landtags ernannt bzw. eingestellt. Ihr Dienstvorgesetzter ist der Landesbeauftragte. Eine Versetzung oder Abordnung von Mitarbeitern des Landesbeauftragten erfolgt nur in dessen Benehmen.
(2) Zur Erfüllung seiner Aufgaben kann der Landesbeauftragte bedarfsgerecht weitere Beratungsstellen einrichten. Die Regelungen über die Personal- und Sachausstattung gelten entsprechend.
(3) Der Landesbeauftragte bestellt einen Mitarbeiter zu seinem Stellvertreter. Dieser führt die Geschäfte, wenn der Landesbeauftragte verhindert ist.
(4) Personal- und haushaltswirtschaftliche sowie rechtliche und organisatorische Angelegenheiten unterfallen in ihrer Umsetzung der Zuständigkeit der Landtagsverwaltung.
§ 9
Berichtspflicht
(1) Der Landesbeauftragte erstattet dem Landtag auf dessen Ersuchen, im Übrigen alle zwei Jahre einen Bericht über seine Tätigkeit.
(2) Auf Ersuchen der Landesregierung oder des Landtags hat der Landesbeauftragte über seine Tätigkeit weitere Auskünfte zu erteilen, Stellungnahmen abzugeben und Gutachten zu erstellen.
(3) Der Landesbeauftragte kann sich darüber hinaus jederzeit an den Landtag wenden.
§ 10
Befugnisse
(1) Die öffentlichen Stellen des Landes sind verpflichtet, den Landesbeauftragten bei der Erfüllung seiner Aufgaben angemessen zu unterstützen. Ihm ist zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 3 Auskunft zu erteilen und Einsicht in Registraturen, Archive und sonstige Informationssammlungen zu gewähren, wenn hinreichende Anhaltspunkte für die ihm nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben vorliegen und dies gegenüber den jeweiligen Stellen
angezeigt wurde.
(2) Der Landesbeauftragte kann sich in Wahrnehmung seiner Aufgaben und nach Maßgabe dieses Gesetzes öffentlich äußern.
(3) Der Landesbeauftragte ist befugt, personenbezogene Daten, die ihm im Rahmen seiner Aufgaben bekannt werden, zu verarbeiten, soweit dies nach diesem Gesetz und nach Maßgabe des Stasi-Unterlagen-Gesetzes erforderlich ist.
(4) Der Landesbeauftragte ist oberste Dienstbehörde im Sinne des § 96 der Strafprozessordnung. Er trifft Entscheidungen über Erteilung und Umfang von Aussagegenehmigungen für sich und seine Mitarbeiter in eigener Verantwortung.
§ 11
Beirat
(1) Beim Landesbeauftragten wird ein Beirat gebildet. Dieser wird durch den Landesbeauftragten einberufen. Der Beirat besteht aus bis zu sieben Mitgliedern, zu denen mindestens gehören sollen:
1. ein Vertreter des "Geschichtsverbundes Thüringen - Arbeitsgemeinschaft zur Aufarbeitung der SED-Diktatur",
2. ein Vertreter der Thüringer Landeszentrale für Politische Bildung,
3. ein Vertreter der "Stiftung Ettersberg. Europäische Diktaturforschung. Aufarbeitung der SED-Diktatur. Gedenkstätte Andreasstraße" und
4. ein Vertreter des Thüringer Hauptstaatsarchivs.
(2) Die Amtszeit der Mitglieder des Beirats beträgt fünf Jahre. Die Tätigkeit erfolgt unentgeltlich.
(3) Der Beirat berät den Landesbeauftragten und dieser unterrichtet den Beirat über grundsätzliche Angelegenheiten.
(4) Die Mitglieder des Beirats sind zur Verschwiegenheit über offenkundig personenbezogene und sonstige vertrauliche Informationen zu verpflichten, die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt geworden sind. Die Verschwiegenheitspflicht besteht auch nach Beendigung ihrer Mitgliedschaft im Beirat fort.
§ 12
Gleichstellungsklausel
Status- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in weiblicher und männlicher Form.
§ 13
Übergangsbestimmung
Für das Rechtsverhältnis der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Amt befindlichen Beauftragten ist der § 5 des Thüringer Gesetzes über den Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Thüringer Landesbeauftragtengesetz) vom 31. März 1993 (GVBI. S. 237) in seiner bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden.
§ 14
Inkrafttreten und Außerkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes tritt das Thüringer Gesetz über den Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Thüringer Landesbeauftragtengesetz) vom 31. März 1993 (GVBl. S. 237), geändert durch Gesetz vom 24. Oktober 2003 (GVBl. S. 487), außer Kraft.
Erfurt, den 3. Juli 2013
Die Präsidentin des Landtags
Birgit Diezel